Zinni Online: |
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Datum | Tage zum Game Over | Link |
12.03.2019 | 367 | Prolog |
19.12.2019 | 88 | Gute Zeiten |
24.02.2020 | 18 | La Plata in Argentinien |
27.02.2020 | 15 | Buenos Aires & Ushuaia in Argentinien |
01.03.2020 | 12 | Garibaldi-Gletscher in Chile |
02.03.2020 | 11 | Punta Arenas in Chile |
03.03.2020 | 10 | Magellanstraße in Chile |
04.03.2020 | 9 | Puerto Natales in Chile |
05.03.2020 | 8 | Die MS HANSEATIC nature |
06.03.2020 | 7 | Pío XI-Gletscher & Puerto Edén in Chile |
08.03.2020 | 5 | Chaitén in Chile |
09.03.2020 | 4 | Puerto Montt in Chile |
10.03.2020 | 3 | Isla Grande de Chiloé in Chile |
12.03.2020 | 1 | Valparaíso in Chile |
13.03.2020 | 0 | Game Over |
21.03.2020 | -8 | Schlechte Zeiten |
30.04.2030 | -49 | Epilog |
Die HANSEATIC nature im Garabaldi Fjord
Die Nationalflagge von Chile
Ein Tag unter dem Motto „Erholung auf See“ stand an. Wir hatten auf der Reise mehr Tage als nur am Siebten zu ruhen. Da ich nicht auf der AIDA war (Alle Interessiert Der Alkohol), das Schiff mittlerweile in- und auswendig kannte, die Suche nach der Gangway entfällt und kein Postschiff mit Briefen von den Lieben zu Hause zu erwarten war, blieb nur eines: Nach draußen zu schauen.
Flache und platte Witze (wie mein Satz darüber), über die keiner lacht, werden in Chile übrigens als Chistes Alemanes (deutsche Witze) betitelt. Und das bereits vor meinem Bericht.
Nach der Bord-Durchsage „Auf Backbord ein Uhr sind Delfine zu sehen“ freuten sich einige Gäste noch etwas im Bett liegen bleiben zu können, bevor sie auf das Deck zum Delfin-Watching gingen. Ich dagegen schaute mir um elf Uhr morgens auf der rechten Steuerbordseite diese tollen Tiere an:
Delfine über dem Wasser in den Fjorden von Chile
Delfine unter dem Wasser in den Fjorden von Chile
Die kleine Schule von Delfinen mit ihrer typisch schwarz-weißen Färbung begleitete uns ein Stück:
Video von Delfinen über und unter dem Wasser, elf Sekunden Laufzeit
Wahrscheinlich handelte es sich um Peale Delphine. Da aber niemand ein genaues Foto mit der Färbung aufnehmen konnte, hatten selbst die Experten keine einhundert Prozent Antwort auf die Art.
Chile kann prahlen den Längsten zu haben! Es ist das längste Land (vergleichbar von Norwegen in die Sahara), mit den längsten Grenzen und der längsten Küste. Wie hier gut zu sehen, mit unseren letzten Blicken auf den Torres del Paine Nationalpark:
Der Torres del Paine Nationalpark
Der Torres del Paine Nationalpark
In der Breite ist das Land nur einhundertachtzig Kilometer kurz. Es gibt vom Norden aus keine Straße nach Patagonien, wer mit dem Auto dort hin will, muss über Argentinien reisen. Wer in Chile bleiben möchte, muss fliegen. Oder unternimmt eine Kreuzfahrt wie wir.
Den Rest des Tages brachte ich unbeschadet hinter mich. Mit viel Essen, Trinken, Lesen und Ruhen. Mit unterschiedlichen Reihenfolgen und Frequenzen.
Enttäuscht war ich beim Studieren vom Programm des nächsten Tages. Ausgeschrieben in den Unterlagen war „Passieren des Pio XI-Gletscher“. Ich dachte an einen ähnlichen Ablauf wie am Garibaldi-Gletscher, mit Zodiac-Fahrten, um ihn von der Nähe aus ansehen zu können, und vielleicht sogar aussteigen zu können. Ich habe mich selten so bei einer Prognose getäuscht. Es wurde lediglich annonciert: „Vom Schiff aus wollen wir einen Blick in Richtung Gletscher werfen“. Ich schaute auf einen Kalender: Da kein erster April war, dachte ich nicht an einen Scherz, die meinten das im Ernst.
Um sieben Uhr am Morgen legten wir am Gletscher an, noch vor dem Sonnenaufgang. Schon bei dem ersten Blick hatte ich gesehen, dass die Lichtverhältnisse nicht optimal waren für gute Aufnahmen, denn es war wolkig und regnerisch:
Blick auf den Pio XI-Gletscher
Der eindrucksvolle Pio XI-Gletscher wurde früher auch Anna Maria Gletscher und Brüggen Gletscher genannt. Benannt nun ist er nun nach Papst Pius XI, weil er am 16. Juli 1251 die Erlaubnis erteilt hatte, dass Chile Maria del Carmen zur Schutzpatronin des Landes machen durfte.
Wir sahen auf die vier Kilometer lange Gletscherfront:
Blick auf den Pio XI-Gletscher
und das Eisfeld lag in seiner ganzen Pracht vor uns:
Blick auf den Pio XI-Gletscher
Die Eismassen verteilen sich auf über eintausend Quadratkilometer:
Blick auf den Pio XI-Gletscher
Die Wand aus Eis drückt in den Fjord vor und hat sich auf eine Höhe von fünfundsiebzig Metern aufgetürmt:
Blick auf den Pio XI-Gletscher
Er ist der längste Gletscher der südlichen Hemisphäre außerhalb der Antarktis und ist neben dem Perito Moreno der einzige in Patagonien, der nicht schrumpft, sondern wächst. Er hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren um zehn Kilometer vorgeschoben:
Blick auf den Pio XI-Gletscher
Trotz allen diesen Superlativen war es nicht richtig spannend oder aufregend. Mehr als diese Blicke wurden uns nicht gegönnt. Die Gletscherfront liegt nicht am Wasser, sondern an einem kleinen Sandstrand. Hapag-Lloyd schrieb selbst, dass man von dort zum Eisfeld laufen kann. Warum das nicht für uns organisiert wurde, weiß ich nicht. Ich hatte das Gefühl, ein Rubbellos gekauft zu haben und eine Niete gezogen zu haben.
Das regnerische Wetter dazu war nicht das Beste, ergab aber eine mystische Stimmung:
Die Landschaft in der Umgebung des Pio XI-Gletscher
Für den Nachmittag wurde der bereits im Kapitel über das Schiff erwähnte angebliche „Überraschungs-Stopp“ auf der Insel Puerto Edén angekündigt.
Nun war ich doch noch zu meiner erhofften Zodiac-Fahrt an diesem Tag gekommen, allerdings anders als vorgestellt. Sie diente nur als Transport-Mittel zu der kleinen Ortschaft:
Mit Zodiac unterwegs nach Puerto Edén
Ich hatte meine Regenhosen in Deutschland vergessen, zum Glück hatte die Boutique auf dem Schiff so viele, dass sie welche verkauft hatten. Diese war für hier bitter nötig, bereits bei der Fahrt und auch nach der Ankunft:
Ein nasser Empfang in Puerto Edén
¡Bienvenidos a Puerto Edén!
Willkommen in Puerto Edén
Puerto Edén ist der Heimatort der letzten Kawesqarr, eine der vier ethnischen Gruppen, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Westpatagonien siedelten. Während vor vierzig Jahren noch über sechshundert Menschen hier gelebt haben, wohnen heute nur noch knapp achtzig Einheimische dort, mit Mitarbeitern der Marine und der Polizei etwas über einhundert:
Blick auf Puerto Edén
Die Stromversorgung wird durch Dieselgeneratoren sichergestellt, bei begrenzter Einschaltung. Für die restliche Zeit gibt es Kerzen. Die Einwohner leben von der Fischerei:
Blick auf Puerto Edén
Wir hatten Zeit für einen Spaziergang durch das isolierteste Dorf von Chile, ein gut ausgebauter Boardwalk führte uns durch die Ortschaft:
Der Boardwalk von Puerto Edén
Der Boardwalk von Puerto Edén
Der Boardwalk von Puerto Edén
Im Jahr 1937 richtete die Chilenische Luftwaffe hier eine Station zur Betankung und Reparatur von Wasserflugzeugen ein. Seit dem Jahr 1940 ist der Ort auch von Zivilpersonen bewohnt, und offiziell gegründet wurde Puerto Edén erst im Jahr 1969.
Die Häuser wirkten für unsere Verhältnisse einfach, ich fand sie wunderbar skurril:
Ein Haus in Puerto Edén
Die Zeit scheint hier stillzustehen. Trotzdem gut zu wissen: Alle sechzig Sekunden vergeht in Puerto Edén eine Minute.
Für die fünfzehn Kinder vor Ort gibt es eine Schule:
Die Schule von Puerto Edén
Bei der Unterrichtsstunde: „Fotografieren ohne Regentropfen im Bild“ hätte ich teilnehmen können.
Es gibt mehrere Supermärkte, aus Rücksicht auf die schlechte Infrastruktur wurden wir angehalten, den Einheimischen nichts wegzukaufen. Die kleine Siedlung wird nur einmal in der Woche von Versorgungs-Schiffen angelaufen:
Ein Supermarkt in Puerto Edén
Es gibt auch Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste. Allerdings nicht buchbar über Booking.com, denn ein bemerkenswerter Tourismus hat sich bislang noch nicht entwickelt:
Eine Pension in Puerto Edén
Ich lief an einem kleinen Dorf-Fußball-Platz vorbei:
Der Dorf-Fußball-Platz von Puerto Edén
und als sportliche Alternative wurde am 20. Februar ein Treffen der Angler veranstaltet:
Angler-Treff in Puerto Edén
Die lokale Bevölkerung organisierte einen kleinen Kunstmarkt:
Ein kleiner Kunstmarkt in Puerto Edén
Viele Vögel wie ein Kolibri, Eisvogel oder Kingfisher waren im Ort zu hören, aber leider nicht zu sehen. Außer hier:
Ein Andenken an Puerto Edén
Die wenigen Einwohner waren sehr freundlich und offen. Ich hatte sie in mein Herz geschlossen:
Andenken aus Puerto Edén
Wie auch dieser süße Hund, ich war aufs Neuste hin und weg verliebt:
Ein Hundi in Puerto Edén
Video von meinem neuen Freund, fünf Sekunden Laufzeit
Der Sonnenschein war leider nur in flüssiger Form gekommen, und das Wetter wurde nicht besser. Da niemand den AUS-Knopf für Regen drückte, hatte ich nach einer guten Stunde genug von dem Dauerregen, und lief zurück zur Anlegestelle der Zodiacs:
Bye Bye Puerto Edén
Der Höhepunkt von Puerto Edén war der durchgehende Nieselregen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals in meinem Leben so nass gewesen zu sein. Tratsch Nass. Kleidung ist alles, und wer glaubt, er kommt in solchen Gegenden mit einer handelsüblichen Deutsche-Touristen-Funktionsjacke durch, der irrt sich. Im Winter wie im Sommer:
Der nasse Zinni zurück von Puerto Edén
Und nein, das war nicht der Dress, mit dem ich danach in das Hamptons-Restaurant im Hintergrund eingekehrt war.
Der Tag war unglücklich verlaufen. Hatte natürlich auch viel mit dem Wetter zu tun, aber auch mit dem vorgegebenen Ablauf der Schiffsleitung.
Der Regen stoppte auch auf der Weiterfahrt nicht:
Regen im Fjord
Video vom Regen im Fjord, acht Sekunden Laufzeit
In der Nacht waren wir zehn Stunden auf dem offenen Meer, bei Windstärke 8, und sieben Meter hohen Wellen. Geschlafen hatte ich wenig, dafür war es zu unruhig:
Video vom Sturm im Fjord, neun Sekunden Laufzeit
Bitte den Wind an Bord beachten. Man muss in Patagonien ihn als Freund akzeptieren. Die Luft, die einem ins Gesicht bläst, hat die Antarktis schon einmal gesehen. Wer sich darüber beschwert, wird verlieren.
Video vom Sturm im Fjord, zwanzig Sekunden Laufzeit
Zudem sich ständig durch das Schaukeln selbstständig die Schrankwände öffneten, mit dem entsprechenden Lärm und Licht. Seekrank war ich aber nicht geworden.
Der Tag und die Nacht waren anders, als ich es mir vorgestellt hatte, und es war dann doch eine Art von Expedition. Nur nicht die Erwartete.
Im nächstes Kapitel geht es um einen Ort, der die Apokalypse bereits hinter sich hat: